Umfangreiche Ermittlungen nach Anschlägen in Weimar

In der Nacht zum Montag haben Unbekannte in Weimar die Stadtwache der Polizei angegriffen. Außerdem wurde versucht, sechs Fahrzeuge anzuzünden. Laut MDR verfolgt die Polizei einen „intensiven Ermittlungsstrang“ zur sog. linksextremen Szene. Der „Autonomen-Treff“ Gerberstraße 1 wurde am Montagabend durchsucht. Drei festgenommene Personen wurden inzwischen wieder freigelassen.

Quellen: MDR (1), MDR (2), MDR (3)

Indymedia berichtet, dass die Polizei viele „links aussehende“ Jugendliche kontrolliert und befragt hat.

Quelle: Indymedia

Wir kommentieren diesen Fall jetzt nicht. Eine politische Auswertung kommt (hier oder woanders) später. Das Thema wird noch eine Weile aktuell bleiben, nachdem die CDU eine aktuelle Stunde im Landtag beantragt hat. Dringender ist, auf die wichtigsten Tipps zum Umgang mit Polizei und Justiz hinzuweisen. Die Kommentare zum Indy-Artikel zeigen, dass viele Genoss/inn/en verunsichert sind und nicht wissen, wie sich in dieser Lage verhalten sollen.

Das Thema ist so aktuell wie ausgelutscht. Hier ein Zusammenschnitt aus unserem Indy-Kommentar und den alten Blog-Artikeln „Wegen „Riva“-Aktion: Öffentliche Fahndung nach Antifaschisten“ und „Pößneck: Staatsschutz interessiert sich für die Antifa“. Ganz unten noch etwas zum Thema „Wie sag ich’s meinen Eltern?“


Ein Ziel hat die Polizei in Weimar ja anscheinend erreicht: Dass viele Leute jetzt sehr aufgeregt und vielleicht auch verängstigt sind. Sorge und Angst und auch Neugier sind angesichts der Ereignisse seit Montag gut verständlich. Aber niemand sollte diesen Gefühlen so nachgeben, dass er/sie mittelbar oder unmittelbar eine/n Andere/n oder sich selbst gefährdet.

Verschafft Euch Klarheit, wie Ihr Euch in dieser Lage am besten verhaltet. Alles Wichtige steht in unserer Broschüre „Was tun, wenn’s brennt“, die ihr hier herunterladen könnt.

Diese Broschüre ist zu Recht eine der in größter Auflage in der BRD erschienen linken Schriften. Was da drin steht, basiert auf jahrelanger Überlegung und Erfahrung und hat Hand und Fuß. Der wichtigste Punkt heißt: ANNA & ARTHUR HALTEN DAS MAUL! Gegenüber den Bullen nicht quatschen! Und das heißt: NICHTS sagen (außer den Personalien) und NICHTS unterschreiben, NICHTS!

Personalien = Name, Vorname, (Melde-)Adresse, Geburtstag und -ort, Familienstand (z. B. ledig), Staatsangehörigkeit und ALLGEMEINE Berufsbezeichnung (= Schüler oder Auszubildender, NICHT: welche Schule oder Arbeitsstelle – oder wollt Ihr dort von denen besucht werden?!)

Sehr gefährlich ist jede Spekulation, wer was gewesen sein könnte, wem man was zutrauen würde, was man womöglich jetzt selber aus diesem oder einem anderen Anlass zu befürchten hat, wann die Bullen auch zu einem selbst nach Hause kommen, warum sie beim A waren, aber noch nicht beim B, ob das eigene Telefon jetzt abgehört wird usw. usw. – ALLES MIST! Egal was Ihr in diese Richtung sagt: Das kann (wie auch immer) den Falschen zu Ohren kommen und Euren Genoss/inn/en, Freund/inn/en, Angehörigen und Euch selbst böse Probleme bringen (= KNAST!) Rhetorische Gegenfrage: Was nützt Euch solches Gerede denn wirklich?

Wer stattdessen sich ernsthaft mit der Repression auseinandersetzt, wird zwar nicht immun – aber er/sie gewinnt die größte Sicherheit und Selbstsicherheit (wieder), die es unter den herrschenden Verhältnissen für Oppositionelle gibt. Unsere Broschüre mit den wichtigsten Verhaltenstipps auf 32 A5-Seiten bietet einen guten Einstieg.


Was bezwecken die Bullen?

Das wissen nur sie selber …

3. Solche Ermittlungsmethoden (Veröffentlichung von Fahndungsfotos) sollen auch „die Szene verunsichern“, d.h. es geht darum diffus abzuschrecken – an Spontandemos teilzunehmen, sich mit „den falschen Leuten abzugeben“ usw. – Ob die Bullen dieses Ziel erreichen, hängt von eurer Reaktion ab.

Was tun?

* Geht nicht zu den Vorladungen hin – egal, ob ihr „Zeugen“ oder „Beschuldigte“ seid, egal, ob ihr „was gemacht habt“ oder nicht! Meldet euch stattdessen bei uns.

* Wenn die Bullen vorbeikommen: Lasst euch mit denen auf kein Gespräch ein! Lasst euch nicht von denen bluffen und einschüchtern („Sonst nehmen wir sie mit“ oder sowas). Wenn (unwahrscheinlich) die euch wirklich mitnehmen, besteht darauf einen Rechtsanwalt einzuschalten.

* Räumt eure Wohnungen auf – sicher ist sicher! Denkt daran, dass auch „Zufallsfunde“ (die mit der eigentlichen Sache nichts zu tun haben) nachher Ärger einbringen können. Lest in der „Was tun, wenn’s brennt“-​Broschüre nach, was die Bullen dürfen und wie ihr euch verhalten solltet.

Redet nicht sinnlos über die Sache („Hast du auch soundso neulich in der Zeitung gesehen?“) Das gefährdet die Betroffenen und andere Leute und nicht zuletzt euch selbst. Wir verstehen gut, dass so etwas „Gesprächsbedarf“ erzeugt. Das ist auch kein Problem, im Gegenteil. Verantwortungsvoll redet man darüber, wenn man nicht das von den Bullen gewollte „Who is who?“ spielt.

Wenn andere Leute das trotzdem machen, redet mit ihnen darüber.


Falls ihr solchen Besuch (von den Bullen) bekommt, raten wir folgendes:

Gar nicht erst reinlassen! Nur mit Durchsuchungsbeschluss oder bei Gefahr im Verzug dürfen die Bullen Zutritt verlangen. Und auf „Höflichkeit“, „Anstand“ und sowas können sich Leute, die zum Spionieren kommen, wohl kaum berufen. Immer daran denken: Eure Zeit ist kostbar, und wenn ihr die erstmal reingelassen habt, wollen die so schnell nicht wieder gehen.

Nach dem „Hallo“ gleich „Tschüss“ sagen! Ihr müsst euch auch nicht an der Wohnungstür mit denen unterhalten. Für euch springt dabei gar nichts raus: Eure Neugier, warum sie gerade zu euch kommen, werden sie mit ihren nebulösen Antworten „Wir haben gehört …“ und „Es gibt Hinweise …“ sowieso nicht befriedigen. Umgekehrt können die alles, was ihr sagt – ob das wichtig oder unwichtig ist – als Erkenntnisgewinn verbuchen. Und natürlich werden die euch immer wieder nerven, wenn ihr erstmal „angebissen habt“ …


„Wie sag ich’s meinen Eltern?“

Viele jüngere Aktivist/inn/en bringt die Naivität ihrer Eltern in die Bredouille. Die Bullen tanzen an und wollen sich mit den Eltern mal „unterhalten über die Probleme Ihres Kindes“: „Wir wollen doch schließlich alle, dass sich Ihr/e Sohn/Tochter nicht seine/ihre Zukunft verbaut …“ Oft wollen sie auch „nur einen Verdacht ausräumen“ usw. usw. – ALLES LÜGE! In Wirklichkeit kommen die Bullen, um Beweismaterial gegen Eure Freundinnen und Freunde und Euch zu sammeln und jeder noch so kleine Hinweis (Freunde, wo man in der Freizeit hingeht usw. usw.) ist ihnen willkommen. Sie versuchen ganz bewusst, die verständliche Besorgnis Eurer Eltern auszunutzen.

Viele Eltern spielen mit, weil sie es nicht besser wissen und sich als „ordentliche Bürger“ verpflichtet fühlen. Einigen Eltern, die mit den politischen Aktivitäten ihrer Kinder nicht einverstanden sind, passt es womöglich sogar ganz gut, dass endlich mal ein/e Außenstehende/r (und noch dazu eine/r mit Uniform, die/der muss es ja wissen!) sie bestätigt. Welchen Preis Eure Freundinnen und Freunde und Ihr für ihren „Sieg“ im Generationenkonflikt vielleicht zahlen müsst, ist ihnen dabei nicht klar.

Wenn Ihr auch nur einigermaßen mit Euren Eltern über diese Fragen reden könnt, dann macht den ersten Schritt – ehe die Bullen als erste mit ihren Stories kommen und sie überrumpeln. (Erzählt den Eltern natürlich keine möglicherweise strafrechtlich relevanten Details!) Weist Eure Eltern auf Ihr Aussageverweigerungsrecht nach § 52 Strafprozessordnung hin: In Verfahren gegen Euch brauchen sie GAR NICHTS zu sagen, auch nicht „nur informell“ oder sonstwie. Vielleicht können Euch auch andere Verwandte oder Freund/inn/e/n der Familie unterstützen.

Wenn Ihr mit Euren Eltern nicht reden könnt, solltet Ihr ihnen so wenig möglich über Eure Aktivitäten erzählen.

Wenn Ihr noch Fragen habt, wendet Euch an bekannte Genoss/inn/en, die sich auskennen.