Prügelnder Polizist vor Gericht

Der G8- Gipfel 2007 in Heiligendamm zieht immer noch seine Spuren nach sich

Am Donnerstag, den 21.10.2010 findet um 13:00 Uhr in Saal 323 im Amtsgericht Rostock der der dritte Verhandlungstag im Prozess gegen den Berliner Polizeibeamten Rico V. statt, der sich wegen Körperverletzung im Amt verantworten muss.

Zu dem Verfahren war es gekommen, weil der Polizeibeamte gegen einen Anfang diesen Jahres durch das Amtsgericht Rostock verhängten Strafbefehl Einspruch eingelegt hatte. Zuvor war das Verfahren durch die Staatsanwaltschaft immer wieder verschleppt worden. In dem Strafbefehl wird dem Polizeibeamten vorgeworfen, dem Geschädigten, bei einer Festnahme während der Proteste gegen den G8-Gipfel im Jahr 2007 in Heiligendamm Schläge gegen den Kopf zugefügt zu haben, als dieser bereits am Boden lag.

Am ersten Verhandlungstag, am 27. September 2010 hat der Polizeibeamte zugegeben, den am Boden Liegenden mehrfach in Richtung des Gesichts gegen den Kopf geschlagen zu haben. Er vertrat jedoch – wie ein weiterer Berliner Polizeibeamter, der bei dem Termin als Zeuge gehört wurde – die Ansicht, dass Schläge in das Gesicht das einzige Mittel gewesen seien, das ihm zur Verfügung gestanden habe, um Handfesseln anlegen zu können. Der Polizist meint deshalb, rechtmäßig gehandelt zu haben. Sein als Zeuge gehörter Kollege sprach wörtlich davon, dass „Gesichtsverletzungen im Vergleich zu einem Rippenbruch äußerst gering“ seien und dass man deshalb eher in Richtung Kopf als in Richtung des Oberkörpers schlage. Dass der angeklagte Beamte nicht zu seiner Schuld steht, obwohl er nicht bestreitet, gegen den Kopf des Geschädigten geschlagen zu haben, weil er Schläge gegen den Kopf eines am Boden Liegenden als notwendig und üblich einstuft, wirft ein bezeichnendes Licht auf das Verhältnis der Polizei zur Gewalt.

Der Verletzte, der bis zur Gerichtsverhandlung am 27. September 2010 zu keinem Zeitpunkt persönlich angehört worden war, berichtete in der Hauptverhandlung, dass er am fraglichen Abend während der Proteste gegen den G8-Gipfel mit einem Freund eine Gruppe von Weißrussinnen und Weißrussen mit einem Fahrzeug zur JVA Waldeck fuhr. Die Gruppe aus Weißrussland wollte dort gegen die Ingewahrsamnahme eines Bekannten eine Kundgebung veranstalten und bei der JVA nach russischem Brauch Butterbrote und einen Gedichtband abgeben. Als sie in der Nähe der JVA an einem Parkplatz hielten, hätten sich Polizeibeamte genähert, die die Gruppe aufforderten, sich auszuweisen. Als der Verletzte nach dem Grund für diese Maßnahme fragte, sei er, ohne dass ihm daraufhin Gelegenheit gegeben wurde, seinen Ausweis zu zeigen, gegen das Fahrzeug gedrängt, geschlagen, zu Boden gegangen und dort weiter geschlagen worden.

In dem Hauptverhandlungstermin am 21. Oktober 2010 ein weiterer an dem Einsatz beteiligter Polizeibeamter sowie der damalige Begleiter des Geschädigten als Zeugen gehört werden. Außerdem wird ein Ausbilder der Polizei zu den bei der Polizei gelehrten Kampftechniken befragt werden.

Hier wird deutlich werden, ob der angeklagte Beamte mit seiner verfehlten Vorstellung davon, welches Ausmaß an Gewalt er anwenden darf, aus der Polizei Rückendeckung erhält oder nicht, was das Verfahren über den Einzelfall hinaus bedeutsam macht. Polizeieinsätze (wie zuletzt in Stuttgart) zeigen, dass das staatliche Gewaltmonopol missbraucht werden kann und auch tatsächlich missbraucht wird. Wenn den Beamten sogar systematisch gelehrt wird, dass sie, um eine Festnahme durchzusetzen, jemanden, der am Boden liegt und aufgrund von Schlageinwirkung seinen Körper versteift, weiter in Richtung des Gesichts schlagen sollen, ist der Skandal politischer Art.