Landtagsabgeordneter Dr. André Hahn lehnt „Deal“ mit der Staatsanwaltschaft ab
Am 13. Februar verhinderten über 10.000 Menschen die alljährliche Nazidemonstration anlässlich der Bombardierung Dresdens im Zweiten Weltkrieg. Herausragende Bedeutung für diesen Erfolg hatte der massenhafte Zivile Ungehorsam, zu dem das Bündnis „Dresden – Nazifrei“ aufgerufen hatte. Wegen dieses Aufrufs durchsuchte die Polizei schon vor dem 13. Februar mehrere Räume und veranlasste die Sperrung der Internetseite des Bündnisses (Berichte 1 und 2).
Weil sie sich friedlich den Nazis in den Weg gestellt haben, wird nun gegen (mindestens) 20 Politiker der Partei Die Linke ermittelt. Als erster erhielt der Vorsitzende der Fraktion im Sächsischen Landtag Dr. André Hahn am 4. März Post von der Staatsanwaltschaft Dresden. Die Staatsanwaltschaft bietet an, das Verfahren wegen Sprengung einer Versammlung gegen Zahlung von 500 Euro an die Initiative „Aktion Zivilcourage“ aus Pirna einzustellen.
Hahn hat dieses Angebot auf einer Pressekonferenz am letzten Freitag öffentlich abgelehnt:
„Um es in aller Deutlichkeit zu sagen: Ich bin der festen Überzeugung, dass weder die vielen tausend friedlichen Demonstranten, die sich am 13. Februar den Nazis entgegen stellten, noch ich persönlich etwas Unrechtes getan haben.
Es war richtig und es war notwendig, sich gegen den geplanten Nazi-Aufmarsch in Dresden mit friedlichen Mitteln zur Wehr zu setzen. Dieses zivilgesellschaftliche Engagement darf nicht kriminalisiert werden.
Aus diesem Grund kann und werde ich auf die Offerte der Staatsanwaltschaft nicht eingehen. Ich werde daher die gesetzte Frist ohne Geldzahlung verstreichen lassen.“
In seiner Erklärung, die Ihr vollständig lesen solltet (ganz unten), übernimmt er die politische Mitverantwortung für die antifaschistische Aktion und begründet ausführlich seine Entscheidung, das Einstellungsangebot abzulehnen:
Es geht um’s Prinzip: Der Zivile Ungehorsam war kein Unrecht. Das soll gerichtlich geklärt werden, wenn nötig, in allen Instanzen. Der Einstellung gegen Auflagen zuzustimmen, könnte dagegen als Schuldeingeständnis gedeutet werden (was es tatsächlich nicht ist). Hahn warnt vor einem „sächsischen Sonderweg“ der Kriminalisierung von Blockaden und verweist auf die ähnlichen Aktionen in Köln und Jena, wo keine Strafverfahren geführt wurden.
Hahn befürchtet, sein Fall könne eine fatale Signalwirkung entfalten und es könnten hunderte weitere folgen, die sich gegen weniger prominente und ärmere Aktivisten richten. Seine exponierte Stellung und seinen Schutz durch die Immunität will er zur solidarischen Unterstützung anderer potentiell Betroffener und des Bündnisses „Dresden – Nazifrei“ nutzen. Hahn warnt, das Image Deutschlands und Sachsens würde beschädigt, wenn die Immunität von Abgeordneten aufgehoben wird, weil sie sich friedlich einem Naziaufmarsch entgegen gestellt haben.
Neben weiteren juristischen Einwänden (fehlende Räumungsaufforderung der Polizei u. a.) betont Hahn nicht zuletzt, dass er nicht entgegen der Absprache im Bündnis, nicht zu zahlen, handeln will: „Ich persönlich bin und bleibe gesprächsbereit [gegenüber der Staatsanwaltschaft]. Aber eines muss klar sein: An dem Versuch, die verschiedenen Formen der Anti-Nazi-Proteste gegeneinander auszuspielen, kann und werde ich mich nicht beteiligen.“
Das Bündnis „Dresden – Nazifrei“ hat inzwischen alle Betroffenen aufgerufen, Bußgeldbescheide nicht akzeptieren, und seine Unterstützung zugesichert. Wer solche Post erhält, soll sich unter kontakt@dresden-nazifrei.com melden. „Wir werden uns miteinander solidarisch zeigen und uns gemeinsam gegen jegliche Form der Kriminalisierung unserer Proteste wehren! Statt Bußgeldbescheide sollten die Unterstützerinnen und Unterstützer Dankesbriefe bekommen“, so das Bündnis (hier).
Vollständige Erklärung von Dr. André Hahn
Es war richtig und notwendig, sich gegen geplanten Nazi-Aufmarsch in Dresden mit friedlichen Mitteln zur Wehr zu setzen