Solidarisches Handeln ist suspekt – Thüringer VS und Innenministerium mokieren sich über die Rote Hilfe

Thüringens Innenminister Georg Meier stellte im Beisein von Stephan Kramer vom Verfassungsschutz Thüringen (VS) und Uwe Büchner am 22. November 2021 den Thüringer Verfassungschutzbericht für das vergangene Jahr vor (1).  Diesmal referierte Meier in den rund fünf Minuten für „Linksextremismus“ rund drei Minuten über die „linksextremistische Rote Hilfe e.V.“ (RH; Minuten 17:00 bis 19:50) und der pdf-gedruckte Bericht widmete der RH als einzige linke Organisation eigens mehr als drei Seiten.

Erstmal möchten wir Herrn Maier an dieser Stelle für die bilderbuchreife Darstellung unserer Satzung und unserer Arbeit danken!  Nach diesen auch als Lob denkbaren Worten müsste wirklich jede:r verstanden haben, warum es absolut wichtig und richtig ist, Mitglied in der Roten Hilfe zu werden (Solidarität ist eine Waffe und so). Wir fühlen uns durch diese (wohl unfreiwillige) regierungsamtliche Hilfe jedoch auch an die Debatte zu einem mögliches Verbotsverfahren gegen die Rote Hilfe erinnert, welche uns eine enorme Solidarität und weitere Bekanntheit eingebracht hat. Aber auch bundesweit ca. 2.000 neue Mitglieder in der RH!

Also wer von euch jetzt noch nicht der RH beigetreten ist, sollte es so langsam mal nachholen. Hier das Anmeldeformular oder kommt in die Sprechstunde!

So aber nun mal zu den vermeintlichen Inhalten:

Das von Maier angesprochene 129er Verfahren wegen angeblicher Bildung einer (als „linksextremistisch“ apostrophierten) kriminellen Vereinigung (§129 StGB), welches aktuell vor dem Oberlandesgericht Dresden verhandelt wird, ist dabei beispielhaft für den Verfolgungs- und Kriminalisierungswillen des Staates gegen linke Strukturen. Eine hochgradig fragil konstruierte „Vereinigung“, eine Beweislage, die sich unter anderem auf ein von Faschos geschriebenes Dossier stützt und immer wieder interne Infos, die von Bullen an rechte Strukturen und Medien weitergegeben werden. Dieser unbedingte Verfolgungswille ist auch Ergebnis von mind. drei erfolglosen 129er Verfahren der letzten Jahre in Thüringen und Sachsen. Über Jahre wurden mehrere hunderte Telefonate abgehört, SMS und Messengerdienstdaten gespeichert, ohne am Ende zu einer einzigen Anklage zu führen. Wobei erfolglos hier nur im engeren juristischen Sinne zutrifft, denn die massenhafte Ausspähung linker Strukturen ist für Bullen natürlich ein interessanter Einblick – und begründet den zweifelhaften Ruf des 129ers als allgemeinen Schnüffelparagraphen mit dessen Hilfe das Verfahren als Strafe-Prinzip seine Verankerung findet.

Den eifrigen Verfolgungswillen gegen linke Strukturen kennen wir in Thüringen. Dabei agieren Bullen & Staatsanwaltschaft oftmals im rechtlichen Niemandsland: Ermittlungsrichter:innen unterschreiben unhinterfragt und wohl oft genug ungelesen alles was die Staatsanwaltschaft ihnen vorlegt. Im Nachhinein werden die Verfahren häufig wieder eingestellt, auch Hausdurchsuchungsbefehle, Überwachungsmaßnahmen und DNA-Entnahmen werden später immer wieder als rechtswidrig erklärt. Das passiert aber nur, wenn sich gegen solche Repressionen solidarisch gewehrt wird.

An dieser Stelle möchten wir nochmals an den Thüringer AfD-Fanboi „Staatsanwalt Zschächner“ erinnern:  Dieser hatte über Jahre immer wieder Genoss:innen mit Repressionen überhäuft, um linke Strukturen zu schwächen. Hier sei beispielsweise an ein fingiertes, nach Jahren der erfolglosen Ermittlung eingestelltes, 129er Verfahren gegen Personen aus Saalfeld genannt (3). Wärend ein Gerichtsverfahren nach dem anderen gegen Genoss:innen angestrebt wurde, wurden Prozesse gegen Rechts immer wieder eingestellt oder nicht erföffnet – was uns nicht verwundert.

Aber warum fokussiert sich das Thüringer Innenminsterium gerade jetzt auf die Rote Hilfe? 

Nun ja, zum einen wohl wegen der oben angesprochenen Serie an erfolglosen Ermittlungsverfahren. Eine weitere Erklärung sind aber sicherlich auch die zunehmenden Veröffentlichungen über rechte Strukturen in Polizei und Bundeswehr sowie die zunehmenden rechten Attentate, in denen auch immer wieder das schlechte Arbeiten von Verfassungsschutz & Staatsschutz eine Rolle spielen. Es ist ein altbekannter, wenn auch billiger Reflex, dass ein Staat der (durch eigenes Versagen) unter Druck gerät, umso mehr um sich schlägt und scheinbare Gefahren von außen thematisiert. Noch jeder „Skandal“ hat dafür gesorgt, dass dem Macht- und Sicherheitsapparat mehr Befugnisse eingeräumt wurden und sie zugleich unter der verstärkten Erwartung standen, die stets schon vermuteten „Staatsfeind:innen“ nun auch zu finden – vor allem solche, denen der Verfassungs-„Schutz“ seine selbst definierte Kategorie „verfassungsfeindlich“ zugedacht hat und mit deren Hilfe er sich selbst zu legitimieren sucht. Diesem Zweck dienen auch die wiederholten Versuche, sich in der Öffentlichkeit als politisch unabhängige, gar wissenschaftlich und fundiert arbeitende Einrichtung darzustellen. Arbeiten politisch VS-naher Personen wie z.B. Uwe Backes, Armin Pfahl-Traughber oder Eckhart Jesse bilden dazu eine Basis.  Diesem Ziel entspricht auch die Inanspruchnahme von Bildungseinrichtungen wie Hochschulen oder bei der Lehrer:innenbildung, bis hin zur Verankerung der Hufeisen- und der Extremismustheorie, dem Nachfolger des Radikalismus, in der Debatte oder in Gesetzesvorhaben. Auch in diesem Kontext sind die Bewertungen des Innenministers und seines Verfassungsschutzpräsidenten aufschlussreich (policy setting).

Vereinzelung und Isolation sind klassische Mittel der Repression. Dieser Idee folgen auch die Vorstellungen einer als Ausschluss gedachten Markierung als extremistisch wie auch Haftstrafen oder die öffentlichen Vorverurteilungen durch Bullen und Staatsanwaltschaften. Da sich die RH – natürlich neben anderen, aber als Struktur greifbarer – im 129er Verfahren nicht an der staatspolitischen Inszenierung von Soko Lünx und GBA beteiligt, widerspricht sie der politischen Räson und wird so ein Ziel der dem Innenministerium nachgeordneten Stellen und Behörden. Der VS ist dabei vor allem eine politische Auftragsrepressionsbehörde, die bestenfalls rudimentär und zum Anschein kontrolliert, der politischen Allgemeinüberwachung und der Aufrechterhaltung kapitalistischer, chauvinistischer und neokolonialer Macht- und Unterordnungsinteressen dient.

Der zunehmende Rechtruck in der Gesellschaft und damit besonders ihrer Repressionsorgane wird in den nächsten Jahren eine breit aufgestellte & solidarisch arbeitende Antirepressionsstruktur unbedingt brauchen. Der im Bund gerade vorgelegte Koalitionsvertrag zeigt mal wieder, dass von Seiten der Politik kein Kurswechsel kommen wird. Das Einstehen für Themen wie Klimaschutz, bedürfnisfokussierte Wohn-, Arbeits-, Liebes- und Lebensbedingungen, ein solidarischeres Miteinander, die kontinuierliche Arbeit gegen menschenfeindliche Strukturen und (auch staatliche) Institutionen, all das bleibt auch weiterhin die Aufgabe der Genoss:innen, deren Kampf wir unterstützen . In diesem Sinne, macht weiterhin das, was ihr laut Maier so gut könnt… Ach und falls mal es mal wieder brennt, wisst ihr ja, wo ihr Solidarität findet, egal ob schon Mitglied oder noch nicht!

In diesem Sinne: Werdet Mitglied in der Roten Hilfe – der „Rechtschutzversicherung“ des Vertrauens!

(1) https://www.youtube.com/watch?v=Hj1PWWedZLc
(2) ak Nr. 672, S. 3
(3) https://www.sueddeutsche.de/politik/staatsanwalt-gera-thueringen-zentrum-fuer-politische-schoenheit-zschaechner-1.4406600