Freiheit für den Berliner Antifaschisten!

Matti wird vorgeworfen, an einer Auseinandersetzung mit zwei Neonazis in Lichtenberg beteiligt gewesen zu sein. Die Neonazis trugen dabei keine schweren Verletzungen davon. Gegen Matti wird nun wegen „versuchten Totschlags“ ermittelt und er sitzt bereits seit dem 12. Dezember in Untersuchungshaft. Polizei und Justiz setzen alles an eine harte Verurteilung. Bei einer Verurteilung drohen ihm mehrere Jahre Haft.

Warum sitzt der Berliner Antifaschist Matti im Knast?

Matti wird vorgeworfen, an einer Auseinandersetzung mit zwei Neonazis in Lichtenberg beteiligt gewesen zu sein. Die Neonazis trugen dabei keine schweren Verletzungen davon. Gegen Matti wird nun wegen „versuchten Totschlags“ ermittelt und er sitzt bereits seit dem 12. Dezember in Untersuchungshaft. Polizei und Justiz setzen alles an eine harte Verurteilung. Bei einer Verurteilung drohen ihm mehrere Jahre Haft. Das Berliner Boulevard-Blatt „Berliner Kurier“ titelte am 1. Dezember 2006 „Lichtenberg: Nazis ins Krankenhaus geprügelt“. Nicht ohne dezente Häme schreibe die Zeitung „Auszuteilen sind sie ja gewohnt. Aber diese Angst am eigenen Leib zu spüren? Mal selbst Opfer sein? Sebastian Z. (19) und Freundin Stefanie P. (18) haben sich bestimmt elend gefühlt, als plötzlich die Schläger angriffen und sie verprügelten…Pikant: Der Überfall geschah auch noch in „ihrem“ Kiez an der Weitlingstraße. Eine Gegend mit vielen Treffs für Rechte. Drei Vermummte griffen um 18.20 Uhr das szene-bekannte Nazi-Paar am U-Bahnhof Lichtenberg an“ („Berliner Kurier“, 1. Dezember 2006). In der „Berliner Zeitung“ vom selben Tag war zu den Fall folgendes zu lesen: „Die unbekannten Täter hätten „ohne viele Worte zu machen“ zugeschlagen und bei dem Angriff ihren Opfern nichts geraubt. „Daher schließen wir nicht aus, dass die Täter aus dem linken Spektrum kommen“, sagte der Polizeisprecher. Stefanie P. erlitt bei dem Überfall eine Platzwunde am Kopf. Sie konnte nach ambulanter Behandlung das Krankenhaus wieder verlassen. Sebastian Z. blieb zur stationären Behandlung in der Klinik. Er erlitt ebenfalls eine Platzwunde am Kopf – bei ihm besteht zudem der Verdacht der Gehirnerschütterung. Außerdem hatte er sich bei dem Angriff einen Finger gebrochen…“

Was ist passiert…

Am 29. November letzten Jahres wurden die zwei stadtbekannten Neonazis und Anti-Antifa-Aktivisten Stefanie P. und Sebastian Z. laut Eigenaussage von drei dunkel gekleideten und maskierten Personen im Bahnhof Lichtenberg angegriffen und leicht verletzt. Der Staatsschutz nahm sofort die Ermittlungen auf und befragte die zwei Rechtsextremisten noch im Krankenhaus, da er den Vorfall als politisch motiviert wertete und die beiden Neonazis auch beim LKA keine Unbekannten sind. No-Go-Area Lichtenberg Der Lichtenberger Weitlingkiez gilt beim Staatsschutz aus gutem Grund als Problemfall. Immer wieder kommt es dort zu gewalttätigen Übergriffen von Neonazis auf Migranten und politische Gegner. So wurde Mitte Dezember eine vietnamesische Frau in der Weitlingstraße aus rassistischen Gründen angegriffen und zusammengeschlagen. Anwohner, die eingriffen, wurden vom Täter bedroht. Wenige Tage zuvor wurde ein Döner-Imbiss in der Weitlingstrasse von Neonazis angegriffen. Die Neonazis waren in den Monaten zuvor schon mehrfach in den Imbiss eingedrungen und hatten dabei Teile der Einrichtung zerstört und die Angestellten bedroht. Auch vietnamesische Blumenhändler im Kiez werden regelmäßig von Rechtsextremisten beleidigt und bedroht. Mitte Oktober lauerten vermummte und mit Schlagwerkzeugen bewaffnete Neonazis einem alternativen Jugendlichen in der Nähe seiner Schule am Nöldnerplatz auf. Sie misshandelten ihr Opfer, das mit schweren Verletzungen mehrere Tage im Krankenhaus liegen musste. Obwohl Zeugen das Nummernschild des Fluchtautos der Neonazis notierten und der Polizei mitteilten, verliefen die Ermittlungen im Sande. Durch die Polizei wird der Überfall gegenüber der Öffentlichkeit verschwiegen. Die Neonazis aus dem Spektrum der „freien Kameradschaften“ begreifen den Stadtteil als ihren Kiez. Seitdem nun verschiedene antifaschistische und zivilgesellschaftliche Initiativen im letzten Jahr eine gemeinsame Kampagne gegen die rechtsextreme Hegemonie im Kiez starteten und zahlreiche Informationsveranstaltungen und ein antirassistisches Straßenfest veranstalteten, befürchtet das LKA eine gewaltsame Eskalation zwischen Antifas und Neonazis. Es wird von einer drohenden Gewaltspirale fabuliert, für die es keine realen Belege gibt. Da wird behauptet, dass die erfolgreiche Intervention der Antifa in die No-Go-Area Lichtenberg zum gefährlichen Pflaster machen würde. Ganz so, als ob die Gewaltexzesse der Neonazis gegen MigrantInnen, Behinderte, Obdachlose, Homosexuelle und Linke dort erst mit dem eingreifen der Antifa begonnen hätten. Als ob diejenigen, die den braunen Terror verhindern wollen, für ihn verantwortlich seien. Diese eigentümliche These vom „drohenden Krieg der Extremisten“ ist nichts als politische Propaganda des polizeilichen Staatschutzes beim LKA. In der Öffentlichkeit kaum bekannt ist, dass diese Teile des LKA seit Jahren eine private Feindschaft gegen einzelne Antifa-Aktivisten pflegen. So erfreut sich nicht nur die No-Go-Area Weitlingkiez einer besonderen Zuwendung durch verschiedene Polizeieinheiten, sondern auch die AntifaschistInnen, die sich dort den Neonazis entgegen stellen. Straftaten, die ins LKA-Schema „Antifa vs. Neonazis in Lichtenberg“ passen, werden behördenintern mit besonderer Priorität behandelt. (Ganz im Gegensatz zu der alltäglichen rassistischen Gewalt im Kiez). So geschah es auch in diesem Fall. Kaum waren die Neonazis aus dem Krankenhaus mit ein paar Pflastern und Kopfschmerztabletten entlassen worden, da tippte das LKA schon die erste Presseerklärung.

Anti-Antifa-Aktivisten und Anti-Antifa-Beamte

Kurz danach meldeten sich die Neonazis beim LKA und meinten, dass Matti einer der Angreifer vom 30. November gewesen sei. Sie würden ihn von diversen Demonstrationen und Kundgebungen her kennen. Das Verhältnis sei so intim, dass sie ihren politischen Gegner auch vermummt wieder erkennen würden. Darüber hinaus behaupteten die Neonazis auf ihrer Internetseite, dass die Angreifer den Satz „Nazischweine, wir bringen euch um“ gerufen hätten. Die Ermittler vom Staatsschutz liefen prombt zu Hochform auf und beantragten einen Hausdurchsuchungsbeschluss wegen „versuchten Totschlags“ gegen Mattis Wohngemeinschaft. Sie durchsuchten schließlich am 12. Dezember die WG und beschlagnahmten diverse dunklen Kleidungsstücken und Sportschuhe. Im Briefkasten der WG fanden die Beamten zudem noch einen unerlaubten Schlagstock Hätte sich das ganze ohne politischen Hintergrund auf dem Pausenhof der Rütlischule oder dem Parkplatz irgendeiner Bowlingbahn in Marzahn abgespielt, wäre sicherlich kein LKA-Beamter auf die Idee gekommen, einen versuchten Totschlag zu unterstellen. Auch wenn also alle Beteiligten (LKA, Justiz, Neonazis) wissen, dass niemand versucht hat die zwei Neonazis in Lichtenberg zu erschlagen, zeigten sich Ermittlungsrichter und Staatsanwalt als willige Komplizen des Staatsschutzes und stimmten dem Hirngespinst brav zu. Die eigentliche Kontrollfunktion, die die Justiz gegenüber der Polizei haben sollte, wird im augenzwinkernden Einverständnis darüber, dass es angesichts der angespannten Situation in Lichtenberg mit einem Antifa-Aktivisten garantiert keinen Falschen trifft, außer Kraft gesetzt.

Antifa = Totschläger?

Neben den immensen strafrechtlichen Konsequenzen wirkt der Tatvorwurf auf der politischen Seite als eine denunziatorische moralische Zuschreibung an den Charakter des Beschuldigten und der Bewegung zu der er gehört. Totschläger schlagen andere Menschen tot, sind also fies und brutal – solche Leute sind aus guten Gründen unbeliebt. Mit diesem Tatvorwurf soll nicht nur jede Form von Solidarisierung erschwert werden, sondern auch der moralische Vorschuss, den die antifaschistische Bewegung aufgrund der Legitimität ihres Anliegens genießt, zerstört werden. Im Sinne der grundfalschen Gleichung „Linksextremisten gleich Rechtsextremisten“ wird die Antifa vom Staatsschutz als extremistische Bande potentieller Totschläger dargestellt. Es ist Unsinn hier anzuführen, warum das Totschlagen von anderen Menschen, und seien sie noch so widerwärtig, an sich indiskutabel ist und mit gutem Grund – schon aus dem eigenen Selbstverständniss heraus – nicht zur Praxis der Antifa gehört. Dass weiß natürlich auch das LKA – daher sind Sinn und Zweck der ganzen Staatsschutzaktion auch allzu offensichtlich. Schon im Letzten Jahr versuchte sich in Potsdam eine Ermittlungsbehörde als staatliche Anti-Antifa und klagte vier junge AntifaschistInnen nach einer Auseinandersetzung mit Neonazis wegen versuchten Mordes an. In diesem Verfahren wurde der absurde Mord-Vorwurf genutzt, um eine Antifaschistin über Monate in Untersuchungshaft zu sperren. Das Landgericht Potsdam verurteilte die Angeklagte Julia S. nach mehr als fünf Monaten Untersuchungshaft schließlich zu einer Bewährungsstrafe wegen einfacher Körperverletzung. Die eigentliche Bestrafung wurde also noch vor Prozessbeginn mittels der dünn begründeten Untersuchungshaft vollstreckt. Der Staatsschutz agiert in seiner Funktion als politische Polizei nach dem Motto: „Bestrafe einen und erziehe Hundert“. So ist auch das Verfahren gegen Matti als ein Warnschuss in Richtung Antifa Bewegung gedacht. In Berlin versucht man offensichtlich an Matti ein Exempel für die Zukunft statuieren. So führte der Haftrichter bei der Verhängung der Untersuchungshaft ganz offen generalpräventiven Gründe auf. Ferner sei solchen Straftaten generell mit unbedingten Freiheitsstrafen zu begegnen. Die Situation ist deprimierend; vor allem für Matti. Er sitzt in U-Haft, weil zwei Neonazis darauf hoffen, so einen politischen Gegner unschädlich zu machen. Und er sitzt in U-Haft weil der Staatsschutz versucht, die Antifa als ganzes zu kriminalisieren. Dass dafür ein Unschuldiger womöglich für Jahre hinter Mauern und Gittern eines Gefängnisses verschwindet stört natürlich weder die Neonazis noch das LKA. Wichtig, ist nun dass Matti die bestmögliche Verteidigung und Unterstützung erhält. Beteiligt Euch an Protestaktionen und werdet aktiv. Wir sind darüber hinaus auf Eure finanzielle Unterstützung angewiesen, um Matti einen guten juristischen Beistand zu finanzieren.

Spendenkonto: Rote Hilfe Berlin

Kontonummer: 7189590600
Bankleitzahl: 10020000
Stichwort: 12.12.2006

Matti freut sich über Post Wenn Ihr ihm schreiben wollt, bitte an diese Adresse. Wir leiten die Post zu ihm weiter:

Stefan Jakob
Gneisenaustr. 2a
10961 Berlin

http://freiheitfuermatti.com/